Donnerstag, 15. Januar 2015

Die Bühne – 1. September 1930, Heft Nr. 287

Die Bühne September 1930 Wien

„Etwa zwanzig Mädchen waren erschienen. Alle von jener gesunden Schönheit der jungen Amerikanerinnen, die in freier Luft aufgewachsen, agil und kräftig sind, immer bereit, sich zu unterhalten, zu bummeln, zu tanzen, stets unterwegs, stets auf der Jagd nach Vergnügungen, niemals müde, gutmütige Kinder in ihrer Natürlichkeit, reife Frauen in ihren kühnen Abenteuern. Alle mit herrlichen Beinen, die, kräftig modelliert, von den feinen Knöcheln an in harmonischer Linie ansteigen. Graziöse und schmiegsame Körper, ein elastischer, sich leise wiegender Gang. Die Hüften zart geschwungen, nicht ein bißchen eingeengt, denn der Leib ist frei von Korsett und Schnürband und schlank gebaut. Die Brüste klein, spitz, leicht betont unter dem zarten Hauch der Kleider. Das Gesicht blühend, der kleine Mund voll, die Zähne gleichmäßig weiß, das Näschen gerade, die Augen in ständiger Neugier und beschattet von der unvermeidlichen Kohle. Das schöne Haar sorgfältig gepflegt und kurz geschnitten. Alle einander ein wenig ähnlich, ein Standardtyp. 'Made in U.S.A.', frisch, frühlingshaft. Die Amerikanerin will in jedem Alter jung sein. Der Kalender hat ihr bloß die Reihenfolge der Tage, nicht das Verstreichen der Zeit anzuzeigen.“

Arnaldo Fraccaroli lässt den Ich-Erzähler seines Fortsetzungromans vom ‚Paradies der Mädchen‘ schwärmen. Ja, Amerika ist unendlich groß und unendlich mondän in diesen Jahren, in diesem Heft und in seiner Geschichte, die sich von einer Pyjamaparty zu einem Damenboxkampf, steigert, hin zum unweigerlichen „Forsetzung folgt.“

Was?

Wenn es in der ersten österreichischen Republik einen waschechten Zeitungsmogul gab, dann Imre Békessy. Seine frühen publizistischen Erfahrungen machte er in der Provinzpresse der Föderativen Ungarischen Sozialistischen Räterepublik, der zweiten kommunistischen Staatsgründung nach Ausrufung der russischen Sowjetrepublik im Jahr 1917. Die ungarische Räterepublik hielt sich aber gerade mal den Sommer 1919 über. Dann marschierten die rumänischen Streitkräfte ein und gewannen den Kampf. Békessy flüchtete und erreichte – so die Legende – in einem rostigen Donaudampfer und mit wenig mehr als den Lumpen am Leibe die Stadt Wien.

Dort etablierte er 1923 die Tageszeitung Die Stunde und mit ihr den sogenannten Revolverjournalismus. Der Begriff ist wörtlich zu nehmen: Fertige Druckfahnen mit kompromittierenden Artikeln wurden Firmeninhabern vorgelegt. So flossen Anzeigengelder. Es war Erpressung durch Öffentlichkeitsandrohung, Akquise mit der Pistole an der Brust. Wirb oder stirb. Der Ruf der Zeitung war entsprechend.

Békessys publizistische Skrupellosigkeit mit der Stunde bei gleichzeitiger Depression (inkl. mehrerer Selbstmordversuche ab 1926), seine gepflegte Feindschaft mit Karl Kraus (Herausgeber der Fackel) sowie das zerrüttete Verhältnis zu seinem Sohn, der sich von Janos Békessy zu Hans Habe umbenannte (raus aus dem Schatten des Vaters) und nach dem Zweiten Weltkrieg als US-Presseoffizier am Fließband deutsche Zeitungen gründete, seien ein anderes Mal Raum gegeben. Hier bleibt es vorerst unaufgeregt. So war Békessys zweite Blattgründung Die Bühne nunmal.

Auflage & Persistenz & Turnus

Das erste Heft der Bühne erschein ein Jahr nach der Stunde. Die Startauflage betrug 1924 rund 30.000 Exemplare. Nach österreichischem Anschluss an das Deutsche Reich folgte 1938 die Arisierung der Belegschaft und Umbenennung in Wiener Bühne. Békessy musste wieder flüchten, emigrierte zuerst in die Schweiz, dann nach Amerika. 1943 wurde auch die Wiener Bühne eingestellt – „kriegsbedingt“ wie schon das Berliner MAGAZIN. Und wie auch beim MAGAZIN, erfolgte nach dem Krieg eine Neugründung Der Bühne. Inzwischen ist die einstige monatlich erscheinende „Zeitung für Theater, Literatur, Film, Mode, Kunst, Gesellschaft und Sport“ eine 11 x jährlich publizierte Theaterzeitschrift, die als Gründungsdatum aber das Jahr 1924 angibt.

Werbung

Wenn man nach reißerischen Elementen in diesem Békessy-Titel sucht, lohnt vielleicht vor allem ein Blick in den Anzeigenteil. Der verspricht leidlich überzeugend: Keine Enttäuschung!

Erwerbsgeschichte

Inzwischen gibt es genug Menschen in meinem Umfeld, die auf Urlaubsreisen und zu Anlässen wie Geburtstag oder Weihnachtsfesten an die hier betriebene publizistisch-historische Obsession denken und dafür sorgen, dass der Berg von Zeitschriften niemals schrumpft. Dieses Mal war es ein Geburtstagsgeschenk, erworben in einem Wiener Antiquariat.

Inhalt

Alles was Spaß macht … warum nicht also Eheschließungen unter Wasser …

Hochzeit unter Wasser

… oder moderne Innenarchitektur …

… oder drei herrliche Anekdoten aus dem Jägeralltag …

Verdikt

… oder warum nicht gleich heißes Bildmaterial von amerikanischen Frauen in Erscheinung von koketten und längst vergessenen Hollywood-Starletts:

May Moylan 1930 Metro-Goldwyn

Ja, ja, die Frauen der großen, freien Vereinigten Staaten. Schon zwischen den Weltkriegen hat man sich  herübergeträumt, möglicherweise auch in den Büros Wiener Zeitungsmacher. Der zitatgebende italienische Erzähler lässt erahnen, dass der Eindruck des europäischen Amerikabesuchers von den Weißhäuten jenseits des Atlantiks möglicherweise ähnlich zu sein scheint, wie der Eindruck meines preußischen Freundes Alexander Sasse bei seinem Wien-Besuch: „Es ist hier so: Das Beste am Deutschsein trifft das Beste am Nichtdeutschsein.“

Dieses Satzgeschenk könnte man natürlich zu jeder in der Donaumetropole produzierten Zeitschrift fallen lassen. Aber gerade bei diesem Titel und in dieser Zeit steht mag er als Zeugnis mißverständlicher west-westlicher Verbindung goldrichtig stehen.

Donnerstag, 09. Juni 2016

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