Donnerstag, 10. April 2014

DE:BUG 181 – 04.2014

DeBug 181 April 2014 letzte Ausgabe

„Meine nächsten Pommes salze ich mit einer Träne“

– Friedemann Dupelius

 Was?

 De:Bug bezeichnet sich als Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte. Sie hat aber noch einen weiteren Untertitel. Der ist etwas rätselhaft und lautet „Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung.“ Ein Blick in das Editorial verrät mehr:

„Ihr wisst schon, Grenzen überschreiben, besser überschreiten, Zusammenhänge finden, wo keine waren, weil früher oder später läuft eh alles zusammen. Ästhetik, Technik, Drogen, Musik, Theorie, Politik, Absurditäten, Geld, kein Geld … Wenn es eine Welt der Zukunft geben soll, dann sicherlich eine, in der nichts mehr nicht zusammenhängt.“

Auf Seite 24 erklärt der deutsche Großautor des Popjournalismus, Diedrich Diederichsen, dass die De:Bug „ja zum Teil auch eine Sezession aus der Spex war“. Keine dieser beiden sehr ernsthaften Zeitschriften sind bzw. waren für Uneingeweihte nahbar. Der Untertitel der De:Bug lässt lange Testberichte von Mischpulten und Interviews mit DJ’s, vielleicht noch einen avancierten Essay zur Evolution von Computerspielen oder eine Reportage aus einer Tüftlergarage erwarten.

In dieser Ausgabe geht es aber vor allem selbstreferenziell zu. Wie sollte es anders sein? Schließlich ist es die letzte Nummer der De:Bug.

Erwerbsgeschichte & Haptik & Turnus

Immerhin hat De:Bug fünf Jahre länger durchgehalten als das „Internet-Magazin“ Tomorrow, welches vom Großverlag Burda, im selben Jahr an die Kioske gebracht wurde. DJ-Legende Tanith twitterte die Neuigkeit über das Ende der Zeitschrift in ihrer gedruckten Form am 11. März. In den Wochen darauf gab es in mittelgroßen, linksorientierten Tages- und Wochenzeitungen eine betroffene Berichterstattung. Am 1. April erschien auf der De:Bug-Website die Eilmeldung, dass man einen Käufer für den Verlag gefunden habe und die „größte Fusion auf dem Zeitungsmarkt Berlins der Ära Wowereit“ kurz bevorstünde. Kein geringerer als die BZ würde die Monatszeitschrift De:Bug von nun an als Wochenzeitung herausbringen. April, April!

Das Magazin hatte ich vorher noch nie in der Hand gehalten. Die Erwartung an zeitgemäß offenporiges, mit Klebebindung verbundenes Papier wurde von der Anmutung einer großformatigen Versicherungsbroschüre mit ungewohnter Bildästhetik übertroffen. Erschöpfte Frauen sind ein wiederkehrendes Motiv:

Erschöpfung DeBug 2014 Entfremdung DeBug 2014

Preis

4,50 €

Persistenz & Inhalt

Es ist schon kurios: Eine Woche nachdem im New Yorker eine zehnseitige Reportage über das Berliner Nachtleben erschien (vor allem ein Text über das Reinkommen ins Berghain) und sich die Zitty in die Diskussion um das Ende des Berlin-Hypes einschaltet (und zwar mit einer Titelgeschichte), erscheint die letzte Ausgabe der De:Bug; einem Magazin, das doch wie kein anderes den Aufbruchsgeist und die Möglichkeiten des wiedervereinigten Berlins, vor allem den Chic der neuen Mitte widerspiegelte.

1997 als Nachfolgeorgan des Rave-Zeitschrift Frontpage unter dem Namens Buzz gegründet, wurde die Zeitschrift 1999 in De:Bug umbenannt. Von nun an lag sie nicht mehr in Plattenläden zur kostenfreien Mitnahme aus, sondern war im Zeitschriftenhandel zu erwerben.

Zu dieser Zeit gingen Berlins goldene Neunzigerjahre nicht nur ihrem Ende, sondern vielleicht auch ihrem Höhepunkt entgegen.

Die Regierung um den Medienkanzler Gerhard Schröder war schon in der neuen Hauptstadt angekommen und am Potsdamer Platzes feierte man Richtfest. Am 10. Juli 1999 erreichte die Love Parade einen neuen Besucherrekord von 1,2 Mio. Ravern. Zwei Tage zuvor feierte Rafael Horzon in der Torstraße die Eröffnung seines Regalgeschäfts und karikierte damit wiederholt die neue Galerieszene der Auguststraße. Minimal war nicht nur der Sound der Stunde, sondern auch innenarchitektonisches Motto der vielleicht nicht mehr preiswerten aber immer noch bezahlbaren Erdgeschossvorderhauswohnungen von Berlin-Mitte und dem Prenzlauer Berg, in denen kuriose Agenturen mit wenig mehr als einem Tapeziertisch, einem mehrere Kilos schweren Laptop und einem einprägsamen, möglichst ironischen deutschen Namen ihre Geschäfte aufnahmen. Passend dazu wurden die ersten DSL-Anschlüsse verlegt; die Aktie der Telekom und neuer Technologieunternehmen erfuhren ungeahnte Höhenflüge.

Inzwischen ist das neue Jahrtausend bald anderthalb Jahrzehnte alt und viel Zukunft im Sinne von verwirklichter Utopie gab es bisher ja nicht; auch nicht in Berlin, auch wenn man das beim New Yorker noch nicht gemerkt hat, aber in der Zitty längst weiß.

Ein kleines Lamento: Das 2005 eröffnete St. Oberholz ist sicherlich nicht der Ort, an dem noch die Zukunft der Arbeit verhandelt wird. Die deutsche Lizenzausgabe des U.S.-amerikanischen Zeitschriftentitels Vice dominiert inzwischen nicht nur das landläufige, sondern auch das internationale Image Berlins. Die Deutungshoheit über elektronische Lebensaspekte droht durch die deutsche Lizenzausgabe des U.S.-amerikanischen Titels Wired übernommen zu werden; das tote Pferd namens Berlin-Mitte wird im konsumorientierten Lokalblättchen MITTESCHÖN weiter geritten. Zwischen den Geschäftsflächen großer Modeketten in Mitte und in der pastellfarbenen Kuschelwelt des Prenzlauer Bergs, wird längst kein Konzept einer Alternative gelebt. Ja, selbst die Kneipe Alt-Berlin wurde nach über 120 Jahren geschlossen und Horzon verkauft im Moment Spülen.

Auch jenseits der Hauptstadtgrenzen hat trotz wachsender IT-Wirtschaft der Enthusiasmus für die neue Technik seit dem Summer of Sonwden irgendwie Schaden genommen. „Unsere Kommunikation findet immer mehr in privatisierten Öffentlichkeiten statt, wo nur die AGB des jeweiligen Anbieters gelten und nicht das Grundgesetz“, erinnert uns Markus Beckedahl in der De:Bug 181. Der Internetnutzer sollte das wissen, ist aber nicht beunruhigt. Dringlichkeit vermittelt Sascha Lobo und gibt dabei die schlüssigste Erklärung dafür ab, warum eine Zeitschrift wie De:Bug an Relevanz verloren hat: „Es gibt keine elektronischen Lebensaspekte mehr, weil es keine nicht-elektronischen Lebensaspekte mehr gibt.“

Auf die Frage, ob Magazine wie De:Bug durch die Digitalisierung der Nachrichtenströmung nicht sowieso Auslaufmodelle seien, antwortete Jan Joswig, Mitarbeiter der ersten Stunde, vor einigen Jahren dem Mode-Blog Dandy Diary noch flapsig, dass auch der Einzug der Zentralheizung den Wunsch nach einem Kamin nicht beendet habe. Diese Antwort mag zwar pointiert sein, wird aber den ökonomischen Zwängen von Lohnschreibern kaum gerecht. Viele Vertreter zeigten sich ja gerade in den Jahren nach diesem Interview überrascht, wie rasch und unbarmherzig sie der digitale Wandel gekommen ist und sie arbeitslos machte (Anmerkung dazu: Man kann sich Joswigs entspannte Haltung mithilfe einer Aussage in einem Interview mit dem inzwischen eingestellten Blog Miss Creative Classy erklären. Auf die Frage hin, wie man so werden könne wie er, antwortete er: „Es ist total nützlich ist großzügige, geduldige Eltern zu haben.“) Nun folgt Ernüchterung in seinem Abschiedstext:

„In der DDR hatten sie’s gut, Akademiker wurden ermuntert eine Ausbildung voranzustellen. Ich wollte eine Ausbildung hintenanstellen. Zweiradmechaniker statt Mietfeder – mit Mitte 40, Umschulung im Alter, lebenslanges Lernen, das muss doch die Arbeitsagentur unterstützen? Mein Kundenbetreuer stutzte: ‚Freier Journalist? Sie sind nicht versicherungspflichtig beschäftigt? Sie sind nicht einmal arbeitssuchend gemeldet?‘ … Und ich dachte, man könne bei einer zu einem Kerzenhalter umfunktionierten Weinflasche über alles reden.“

Verdikt

„Alle, die für De:Bug arbeiten, machen auch noch irgendwas anderes“, sagte die damalige Chefredakteurin Mercedes Bunz im Jahr 2000 im Wirtschaftsmagazin brand eins. Auch ihr Abschiedstext ist von Relativierung und schleichendem Zweifel getragen:

„Wir leben ein‚erfülltes Leben‘, was aber ja gar nicht sein kann, weil wir ja alle wissen, dass sich die Revolution eben nicht ereignet hat und wir nicht in befreiten Verhältnissen leben. Man sollte von seiner Arbeit leben können. Arbeit ist nicht Leben. Arbeit ist zu einer hochkomplizierten Begriffsmaschine geworden, die aus den Fugen geraten ist.“

Möglicherweise ist das auch Lehre jener Generation Berlin-Mitte, die der After Hour den Latte Macchiato hinzugefügt, die Gleitzeit salonfähig gemacht, die ersten Kinder in den Prenzlauer Berg geworfen und deren glücklichste Vertreter inzwischen und deren glücklichste Vertreter sich inzwischen in ein geregeltes Einkommen in staatlichen Instituten jeglicher Couleur gerettet haben. Viele der zwischen 1965 und 1975 geborenen und Anfang der 1990er nach Berlin gezogenen, maßgebenden Vertreter der neuen Arbeitswelt haben sich gerne dann ironisch distanziert, wenn es vielleicht gerade wichtig gewesen wäre, klar Position zu beziehen und die lieber dann ein neues Projekt oder„irgendwas anderes“ priorisierten, wenn es zu unbequem wurde, einfach weiter zu arbeiten. Sie führten kein Leben für die Revolution, nicht einmal das Leben in Revolte. Präferiert war das Schicksal der Zwischennutzung.

In der Sonderausgabe der kurzzeitig wiederbelebten Tempo sprach Georg Diez 2006 von der „neuen Eigentlichkeit“, 2008 erfand Martin Reichert die„Generation Umhängetasche“. Vielleicht waren Die Leute der De:Bug-Leserschaft gemeint. Doch nicht nur Bunz und Joswig sind schmerzhaft aufrichtig gegenüber sich selbst und dem rastlosen Irgendwas-mit-Medien-erstmal-nach-Berlin-Irrwegs. Ji-Hun Kim treibt es mit der Geschichte von Ben auf die Spitze:

 „Ben ist seither in regelmäßigen Abständen abwechselnd Freelancer und Foulancer. Irgendwas geht immer. Ein Praktikum bei der De:Bug, Bookingagentur, PR für ein Start-Up. Ab und zu hat Ben für die taz geschrieben. Über Popmusik. ‚Hauptsache geil performen, Geld ist doch zweitrangig‘, argumentiert er immer. Ben glaubt an Mikroökonomien und kuratiert heute das Musikprogramm eines kleinen Ladens in Neukölln.“

Anders als im Straßenbild der Postleitzahlenbereiche 10115 bis 10119 wird nach dem Ende der De:Bug erstmal eine Lücke bleiben. Haltung und Ästhetik der Macher bleiben aber für den Lebensstil in Berlin vorbildlich. Nun halt in Neukölln. Oder in Leipzig. Oder in Belgrad. Oder im Internet.

Donnerstag, 09. August 2018

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