GEO – Nr. 10/Oktober 1977
"Fett ist ein Synonym für gut."
Was?
Als man Gruner + Jahr damit begann, den Anteil von barbusigen Frauen auf dem Titel des stern zurück zu schrauben, förderte der Verlag ein neues Wissenschafts- und Reportagemagazin zutage.
Lange Bildstrecken führten in riesige Textwüsten – an dem Konzept hat sich grundlegend nicht viel geändert. Diese Ausgabe markiert den einjährigen Geburtstag dieses Magazins.
Turnus
Monatlich
Preis-Inhalts-Verhältnis
Gesamtseitenzahl: 162 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: 29 Seiten mit wiederholter Präsenz von Mineralölkonzernen
Preis: 8,00 DM
Format: Fett
Preis pro Inhaltsseite: 5 Pfennige
Erwerbsgeschichte
Irgendwann in den 1990ern brachte mein Vater zu Beginn der Schulferien zwei Kartons in mein Zimmer, in denen seine Sammlung von GEO-Heften aus den Jahrgängen 1976 bis 1983 lagerten. Für einen Biologie-Lehrer war sein Outing als ehemaliger Abonnent nicht wirklich überraschend.
Den Rest der Ferien verbrachte ich mit der Sichtung. Meistens ist es beim Durchblättern und Betrachten geblieben. Diese Ausgabe hier habe ich aber damals gelesen; zumindest den Artikel über die Falkland Inseln. Meine Schwäche für abgelegene, karge, britische Inseln wurde so geweckt.
Titel
Das Titelfoto ist Anno 1977 noch nicht so groß wie 2011. Man vertraut auf eine grafisch wenig aufbereitete Aufzählung der Reportage-Themen. Kleine Zusatzfotos sucht man in den frühen Jahrgängen vergebens. Damals wurde noch mit dem Untertitel geworben: „Ein Magazin vom Stern“ Heißt dieses grün zufällig GEO-grün? Falls ja, ist GEO-grün meine Lieblingsfarbe.
Inhalt
Der Chefredakteur Peter-Matthias Gaede möchte mit GEO „der Intelligenz unseres Lesers mit möglichst jeder Ausgabe ein Kompliment zu machen.“ Da fühlt sich der Biologielehrersohn natürlich geschmeichelt. In den aktuellen Nummern finden sich die Rubriken GEOKOSMOS und das GEOSKOP. Beide bestehen aus eher knappen Texten.
Bei der klassischen GEO gibt es nämlich einfach das Vorowort, das Inhaltsverzeichnis und dann … BAM … sechs Reportagen. Die schon erwähnte Reportage über die Falkland Inseln ist toll, denn sie stammt aus einer Zeit vor dem Falklandkrieg.
Die Titelgeschichte über Stalingrad ist ziemlich öde,
das Porträt der Sumōtoris weniger.
Wissenschaftsjournalismus interessiert mich nicht so sehr. Ein diffuses Gefühl von Respekt gegenüber der Biologie entsteht beim wohlwollenden Durchblättern der Geschichten über Zebras und Wolken jedoch unweigerlich.
Haptik
In den frühen Ausgaben ist das Papier noch so dick, dass man ständig glaubt, etwas zu überblättern. Nach über 33 Jahren riecht dieses Heft nach Dachboden, hat sich aber sehr gut in dem Karton gehalten. Die Klebebindung wird langsam porös. Natürlich kann man nicht über GEO schreiben, ohne die Fotos zu erwähnen. Die Unfeinheiten und Unregelmäßigkeiten, das Grobkörnige und die nicht zufälligen Unschärfen zeigen den Charme massenvervielfältigter analoger Fotografie.
Verdikt
Ich bin vorgestern in einen Zeitschriftenladen gegangen, um mir mal die neuste Ausgabe anzuschauen. Wegen ihrer überdeutlichen Präsenz direkt an der Kasse war sie unübersehbar. Allerdings suchte ich erstmal verzweifelt unter den ganzen GEO-Ablegern im Regal.
Die analoge Fotografie, der gestalterische Purismus und das dicke Papier haben das Heft perfekt gemacht. Auch ging es noch etwas reißerischer zu. Aktuelle GEO-Ausgaben sind vollgestopft mit Kleinkram. Und der Pressemarkt ist vollgestopft mit GEO WISSEN, GEO SAISON, GEO Extra, GEO Epoche, GEO Epoche Edition, GEO kompakt.