Donnerstag, 05. Mai 2016

BLOCK – No. 2 (2015)

BLOCK Magazin 2

„General Morris war dabei, den Verstand zu verlieren, und würde die Wände seines Büros bald mit Haikus aus Scheiße vollkritzeln (‚Es war einmal ein / großer General, jetzt malt / er Schlamm an die Wand‘).“

William Kherbek lässt die NSA unter der Leitung eines leicht angeknacksten Haudegens YouTube-Wahrsager anstellen, um die Denkmuster verzweifelter Menschen besser kennenzulernen (denn das sind potenzielle Terroristen). Kann man sich vorstellen, oder?

Was?

Theresia Enzensberger, Hans Magnus‘ Tochter, kam vom Studium in den USA zurück und vermisste ein deutschsprachiges Magazin, das sie lesen und für das sie gern schreiben wollte. Also gründete sie selbst eins. Mit BLOCK tritt sie gegen das „Relevanzgehechel“ in der Medienlandschaft an: Die aufmerksamkeitsorientierte Themenwahl verwechsle Aktualität mit Bedeutung und die Feuilletons seien ganz schön „lame“, so Enzensberger im Interview mit der Musikzeitschrift Das Wetter. Man wolle dem Themen entgegensetzen, welche die Schreibenden (fast ausnahmslos 25- bis 35-jährig) persönlich umtreiben. Viele von ihnen hat die Herausgeberin offenbar aus dem persönlichen Umfeld rekrutiert. Mehrere davon, wie sie, studier(t)en am privaten Bard College (Annandale, Upstate New York und Berlin).

Turnus

Der Clou an diesem Magazin: Es wird nur gedruckt, wenn genug Exemplare vorbestellt werden (bei Ausgabe 2 bedeutete „genug“ 1.200 Stück). 2014 erschien die erste, 2015 die hier besprochene zweite Ausgabe.

Bisher 370 Menschen (Newsletter 1. Mai 2016) wollen die dritte Ausgabe haben. Bestellt werden kann auf der Website oder an unregelmäßig stattfindenden Veranstaltungen. „Es ist alles nur eine Frage der Zeit“, lautet das Motto. Die Autoren kommen so gar nicht erst in Versuchung, in das Relevanzgehechel einzusteigen. Texte über Drohnen, Smart Glasses, NSA, Heidegger geben in dieser Ausgabe dem Ganzen trotzdem genug Gegenwartschaft.

Preis & Erwerbsgeschichte

BLOCK kostet 12,- Euro (inkl. Versand in Deutschland). Für 150 prall gefüllte Seiten (plus Kunst) ist das günstig. Es gibt gerade mal sechs (aufeinanderfolgende) Anzeigenseiten am Heftende. Die Anzeigen werden teurer, je mehr Exemplare vorbestellt sind.

Haptik & Layout

Ist das noch eine Zeitschrift oder schon ein Buch? Stattliche 761 Gramm wiegt das BLOCK-Magazin. Mit den Maßen 25,5 x 19 cm passt es gerade noch auf den Nachttisch, aber auch schon auf den Coffee Table. Dieses Ding liegt und fliegt nicht rum und rutscht auch nirgendwo runter.

Innen viel Text auf sehr dickem, mattem, leicht ins Gelbliche tendierendem Papier. Wenige dünnere, hochweiße Hochglanzseiten mit Kunst (Fotos, Zeichnungen) lockern etwas auf, ansonsten keine Bilder oder Grafiken. Erster Gesamteindruck: Gewichtige Kost in jedem Sinne; hochwertig, aber nicht sofort einladend.

Mit Tom Ising und Martin Fengel von der Münchner Agentur Herburg Weiland konnte Enzensberger x-fach preisgekrönte Magazin- und Buchgestalter für BLOCK gewinnen. Prompt gewann die erste Ausgabe eine ADC-Auszeichnung fürs Editorial Design (und zwar in der Kategorie „Buch“!). Sogar eine eigene Typo hat man sich geleistet: Yuri von Schriftgestalter Hubert Jocham hat charmante Tropfenserifen und ist sehr, sehr angenehm zu lesen, eine Wohltat, je länger man hängen bleibt.

Inhalt

Die Website präsentiert BLOCK als „Magazin für alles“. Passt. Es ist ein bunter Gemischtwarenladen aus Reportagen (gar nicht so viele), Dichtung, Briefwechseln, dazwischen Fotografien, Zeichnungen. Insgesamt 16 Textbeiträge sind geboten; Seitenumfang: von wenigen bis zwanzig.

Der erste Text ist auch der längste: ‚4SIGHT‘ von William Kherbek spielt gewissermaßen im Maschinenraum der NSA. Um mehr darüber zu erfahren, wie Terroristen zu Terroristen werden, stellt man Wahrsager und Wunderheiler an, lässt sie zu YouTube-Stars werden und schreibt die Sorgen, Wünsche und Gedanken der verzweifelten Menschen mit, die sich dort melden. Natürlich läuft das ganze aus dem Ruder. Das ist sprachschöpferisch, mit derb-trockenem Witz erzählt – und vielleicht gar nicht so absurd. Dass es auch auf Deutsch mit einer solchen Wucht daherkommt, ist auch das Verdienst der Übersetzerin und BLOCK-Herausgeberin Theresia Enzensberger.

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Enzensberger nimmt uns in ihrem eigenen Beitrag „Augenwischerei“ mit ins Jahr 2028: Das Startup NoClick hat riesige Erfolge gefeiert mit einer Software, die online Inhalte anzeigt, ohne dass Klicks registriert und ausgewertet werden können – ein Boykott der Aufmerksamkeitsökonomie und des immer aggressiveren Clickbaitings. Nun hat „GoogApple“ aber mit iClick gekontert, bereits Blicke werden als Klicke registriert. Kann NoClick, mit einer speziellen, verspiegelten Brille dagegenhalten?

Vincenzo Latronico fährt mit einem Containerriesen von Antwerpen nach Brasilien – als einziger Passagier. Die Reise – heiß und langweilig, Scheißessen – taugt nicht als die Erfahrung, die er sich vorgestellt hat. Dafür lernt er eine Menge darüber, wie 95% des Welthandels abgewickelt werden: Über den Container als Ermöglicher der Globalisierung, über Nettigkeiten gegenüber Zollbehörden und Hierarchien auf dem Schiff. Die Italiener leiten und navigieren, Rumänen und Filipinos schuften. Man isst getrennt. Zu Hause aber sind die Befehlsempfänger reich, die Offiziere nicht.

Außerdem: eine Ikarus-Parabel, Heidegger-Stalking, an Silikose erkrankte Minenarbeiter in Lesotho, zweizeilige Gedichte, nicht viel mehr-zeilige Miniaturen, was über Kolibris und Drohnen, und einen Versuch, die eigenen Gedanken zu protokollieren.

Verdikt

Ich lese Zeitschriften oft dann, wenn die Energie für ein Buch nicht reicht: Lesestoff in praktischen Portionen. BLOCK kommt dafür etwas sperrig daher – entwickelt sich dann aber zum echten Page-Turner: Nach jedem Text beginne ich gleich den nächsten, einen einzigen nur lese ich nicht fertig, am Schluss bin ich traurig, dass es schon vorbei ist. Angesichts der wild gemischten Formen und Themen ist das bemerkenswert.

Die Ambition im Umgang mit der Sprache zeigt sich in jedem Text. Damit hat BLOCK mich eh schon fast gekriegt. Die  Autoren erlauben sich, abzuschweifen und sich Nebenschauplätzen zu widmen: Wenn Hannah Lühmann in ihrem Text mit Freunden auf die Suche nach Martin Heideggers Ferienhaus geht, steht da auch Schlaues zu Heidegger. Gleichzeitig ist es für mich aber vor allem ein extrem gut beobachtetes Stück über Gruppendynamik und alte Freundschaften.

Nur selten wirkt die Ambition bemüht: Da berichtet einer, wie er eine Ode an die Peinlichkeit schreiben will und daran scheitert (auf der Meta-Ebene voll peinlich und so). Ein Briefwechsel über Liebe changiert zwischen altklug und einfach platt: „Auch halte ich die Liebe nicht für unmöglich und keineswegs für Quatsch. Nur ihr Gelingen für unwahrscheinlich.“ Oder: „Im Übrigen gebe ich nichts auf die Ehe. Sie ist nur eine Maßnahme gegen die Angst.“ Er kann seinen „pornografischen Blick“ in Beziehung nicht ablegen, sie glaubt, den „Einen“ gefunden zu haben, trennt das aber voll souverän von sexueller Monogamie.

Besondere Erwähnung für den Kunstteil: Bianca Kurzhöfer (‚Nomen‘) hat ihr Gesicht auf Fotos unterschiedlicher Frauen montiert und wird so zur lasziv guckenden Tatjana oder zu patenten Hausfrau Marianne mit frecher Kurzhaarfrisur. Krass, welche Schubladen Kleidung, Setting und sogar die Namen selbst aufgehen lassen.

Ich will mehr BLOCK, zumal eigentlich alles schon zum Greifen nah ist: Die Texte der dritten Ausgabe liegen bereit. Titel und Themen sind auf der Magazin-Website einsehbar. Mehrere Autoren von No.2 sind wieder dabei. Sobald 1.300 Vorbestellungen bestätigt sind, wird gedruckt. Ich habe bestellt. Nun ist, hoffentlich, alles nur eine Frage der Zeit.

Stephan Bader ist freier Journalist und Redakteur in Berlin.

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